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Filmreihe

 
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KICK IT LIKE THELMA & LOUISE


Teamgeist, Empowerment, unerschütterlicher Zusammenhalt. Pünktlich zur Fussball-EM versammelt das Stadtkino Geschichten über Frauen, die gemeinsam für ihre Träume und füreinander einstehen. Denn wer nicht ins vorgegebene Raster passt, stösst auf Widerstand: Im Rampenlicht einer Misswahl etwa zeigt sich, dass Frauen für weit mehr kämpfen müssen als um eine Krone (Misbehavior, Miss Congeniality). So hat die Geschichte zweier Freundinnen auf der Flucht bis heute nichts von ihrer Kraft verloren (Thelma & Louise). Und zeigt uns, dass egal wie steinig der Weg ist, im gemeinsamen Spiel die wahre Stärke liegt (Das Wunder von Taipei, Bend it Like Beckham). Von rebellischen Roadmovies über charmante Komödien bis hin zu sportlichen Erfolgsgeschichten – diese Feelgood-Movies erzählen von Freund:innenschaft, Verbundenheit und dem Mut, eigene Wege zu gehen.

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Vom Stummfilm bis zum Hollywood-Klassiker tauchen Buddy-Beziehungen zwischen Männern in der Filmgeschichte immer wieder auf. Wobei buddy ja eigentlich Freund:in bedeutet, verschwimmt in diesem Genre häufig die feine Grenze zwischen Verbrüderung und Rivalität. Frauenbeziehungen hingegen sieht man auf der Leinwand selten verhandelt. Und es stellt sich die Frage, wie das Kino weibliche Freund:innenschaften auf die Leinwand bringt.

Es gibt kaum einen Film, der den Topos der freundschaftlichen Verbundenheit stärker einverleibt als Thelma & Louise (1991). Thelma Dickinson (Geena Davis) und Louise Sawyer (Susan Sarandon) werden Freundinnen, weil Louise einen Trucker erschiesst, der Thelma vergewaltigen wollte. Bei seiner Veröffentlichung im Jahr 1991 sorgte der Roadmovie wegen dieses Akts für Aufsehen und teilweise für Ablehnung. Gleichzeitig ist der oscarprämierte, damalige Überaschungserfolg Thelma & Louise eine Ode an die Freundinnenschaft zweier Frauen, die sich aus den Fesseln ihrer bisherigen Leben befreien. Ihre Reise steht sinnbildlich für den radikalen Aufbruch, bei dem die Bewegung aus einem vertrauten Umfeld in unbekanntes Terrain zu einer tiefen Verbundenheit führt.

Auch die Grande Dame des französischen Kinos Agnès Varda bietet mit L’une chante, l’autre pas (1977) einen Blick auf die Lebenswege zweier Frauen während der 1970er-Jahre: Pauline (Valérie Mairesse) hilft Suzanne (Thérèse Liotard) bei der Abtreibung eines dritten Kindes. Zehn Jahre trennen die erste von der nächsten Begegnung der beiden – sie sehen sich zufällig wieder, mitten in einer feministischen Demonstration, die ihre Verbindung neu belebt. In Gestalt eines eigenwilligen Musicals, das sich bewusst über die gängigen Konventionen des Genres hinwegsetzt, erzählt Varda eine Geschichte, die sich weder um romantische Erfüllungen mit Männern noch um eine fantasievolle Umkehr gesellschaftlicher Verhältnisse bemüht. Der Film entwirft ein alternatives Bild von Geschlechterverhältnissen, das nicht auf Umsturz, sondern auf Möglichkeiten setzt.

Wie eine solch gelebte Realität aussehen könnte, erleben wir in Smoke Sauna Sisterhood (2023) wo wir in eine Gemeinschaft von Frauen eintauchen, die sich in einer Sauna in Süd-Estland versammeln, um mit Wasser und Blätterruten «den Schmerz aus sich herauszutreiben». Dabei geht es in erster Linie um das Zusammensein und das Teilen von Erfahrungen, von denen viele von Gewalt geprägt sind. Trotz der Schwere gibt es immer wieder leichte Momente, dieses unbeschwerte Kichern, das manchmal zwischen den Frauen aufblitzt, wenn sie sich nah sind. Ebenso, und doch ganz anders, wird die Verbündetenschaft zwischen den Sozialarbeiter:innen und den obdachlosen Frauen in Les invisibles (2018) spürbar. Im Kampf um den Erhalt einer Tagesstätte spannen diese beiden Gruppen eng zusammen. Inmitten des absurden Bürokratiewahns verteidigen die Frauen ihre Würde mit einer grossen Portion Humor.

Doch stille Wasser sind tief. Und Frauenbeziehungen im Film leben ebenso von der schwelenden Glut zwischen Zuneigung und Abwehr wie das männliche Pendant. Das wird (mindestens) an zwei Schauplätzen deutlich: Bei Schönheitswettbewerben wird um die Krone gestritten, beim Fussball um den Ball – und beides geschieht mit vollem Einsatz und grosser Leidenschaft. Schon die Gebrüder Grimm erzählten von einem Spiegel, der Wahrheit und Eitelkeit enthüllte. Und in Some Like It Hot (1959), Miss Congeniality (2000) und Misbehaviour (2020) stellt sich diese alte Frage, wer die Schönste im ganzen Land ist, abermals. Berühmt geworden für die oberflächlichen Zuschreibungen von Schönheit und Weiblichkeit sind zunächst die beiden verkleideten Männer Joe (Tony Curtis) und Jerry ( Jack Lemmon) in Some Like It Hot, die in die Reihen eines Damenorchesters eintreten. Die Komödie lebt von den Missverständnissen und dem Humor, der aus der Verkleidung und den Verwicklungen entsteht, sowie von der Frage, wie sich die Männer in den ihnen zugeschriebenen, stereotypischen weiblichen Rollen verhalten.

Die unscheinbare FBI-Agentin Gracie Hart (Sandra Bullock) tritt dagegen unfreiwillig in den Reigen der Schönheit Miss Congeniality ein. Dabei lernt sie, dass die vermeintlich eingebildeten und erfolgsorientierten Konkurrent:innen des Schönheitswettbewerbs, trotz ihrer ständigen Beschäftigung mit Äusserlichkeiten, interessante Persönlichkeiten sind. Eine einfache, aber bedeutende Lektion, die Sandra Bullock, mit der One-in-a-Million-Performance, zu einer Ikone des Schönheitswettbewerbs gemacht hat. So richtig zu bröckeln beginnt die Fassade von Glanz und Glamour aber spätestens mit Misbehaviour: Jennifer Hosten (Gugu Mbatha- Raw) wird zur ersten Miss Grenada und wenig später die erste Miss World of Colour – ein Moment, der zwar für das ersehnte Aufsehen sorgt, aber auch viele Herausforderungen mit sich bringt. Abseits dieses Schauplatzes kämpft Jennifers Mutter, die alleinerziehende Aktivistin des «Women’s Liberation Movement», Sally Alexander (Keira Knightley), mit leidenschaftlichem Engagement gegen den Miss- Wettbewerb, den sie als eine Maskerade der Frauenfeindlichkeit empfindet. Im Wechselbad von Hoffnung und Enttäuschung führt uns Misbehaviour die drängende Frage vor Augen, ob solche Wettbewerbe wirklich Fortschritt bringen oder lediglich die bestehenden, patriarchalen Verhältnisse bestärken.

Und auch wenn der Fussball über die Leinwand rollt, steht das eifrige Wettstreiten im Vordergrund – auf sowie neben dem Spielfeld. So träumen Jess (Parminder Nagra) wie auch Mona (Dileyla Agirman) davon, professionelle Fussballspielerinnen zu werden. Doch wird dieser Traum in Bend It Like Beckham (2002) mit schwelenden Auseinandersetzungen zwischen Jess und ihrer britisch-indischen Familie überschattet. Und Mona, ein geflüchtetes Mädchen aus Syrien, wird in Sieger sein (2024) zum Spielball von Mobbing und Rassismus. Beide Protagonistinnen finden ihren je eigenen Umgang mit den Ungerechtigkeiten und schaffen es letztendlich, ihren Traum vom Fussballspielen in die Tat umzusetzen. Dazu passend spielt der Titel Bend It Like Beckham auf die berühmte Fussballtechnik von David Beckham an, bei der der Ball mit einem besonderen Drall geschossen wird – eine Metapher für die Notwendigkeit, eigene Wege einzuschlagen.

Mindestens gleichbedeutend für den Fussball ist, neben dem Eigenwillen à la Beckham, das perfekte Zusammenspiel. Lionesses: How Football Came Home (2022) und Das Wunder von Taipeh (2019) sind Zeitzeugnisse, die dies legendär untermauern. Während Lionesses: How Football Came Home vom Aufstieg des Frauenfussballs in Grossbritannien und dem triumphalen Sieg an der Euro 2022 erzählt, eifern wir in Das Wunder von Taipeh mit dem «Team Germany» aus Bergisch Gladbach mit, das den ersten – und völlig unerwarteten – Weltmeistertitel für die deutsche Frauen-Nationalmannschaft nach Hause bringt. Zwei Feelgood-Movies, die nicht nur den Erfolg des Frauenfussballs feiern, sondern auch den Teamgeist zelebrieren.

Kick it Like Thelma & Louise widmet sich dem Thema der Freund:innenschaften mit all ihren Schattierungen. Die Filmreihe bildet den Auftakt für die Frauen-EM, die am 2. Juli eröffnet wird und wo wir vielleicht sehen können, wie das Ausnahmetalent Sydney Schertenleib auf Zuspiel einer ihrer Kamerad:innen das Lattenkreuz trifft.

 


Gin Burri ist Redaktor:in im Stadtkino Basel und freischaffende:r Philosoph:in. They lebt in Basel und kuratiert dort das queere Filmfestival Lust*streifen.

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