Adam Driver
einer für Alle
Er ist der Mann für alle Fälle: Ob verkorkste Ehen, staatliche Geheimaufträge, Zombie-Pandemien oder die Aufrechterhaltung der dunklen Seite der Macht, Adam Driver ist kein Engagement zu ordinär, obskur oder mühsam, um seinen Figuren auf der Leinwand Profil, Herz und Charakter zu verleihen. Das enorme Potential, das sich hinter seiner stattlichen Statur verbirgt, hatte man in Hollywood bereits früh erkannt, wo er zunächst in Nebenrollen brillierte und schliesslich als Kylo Ren in der aktuellen Star Wars-Trilogie gross auftrat.
mehrSeine Vorliebe fürs Independent-Kino brachte ihn im Laufe seiner Karriere jedoch vor allem immer wieder mit eigenwilligen Auteuren wie Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, Jeff Nichols und Terry Gilliam zusammen, und es ist die wiederholte Arbeit mit Noah Baumbach The Marriage Story, die ihm unlängst zu seiner ersten Oscar-Nominierung als Bester Darsteller verhelfen sollte. Das Stadtkino Basel widmet sich dem ungewöhnlichen Talent und Charisma des US-Schauspielers in seiner ganzen Größe.
Adam Driver, heisst es, sei ein ernster Typ. Sämtliche Fotos, die von ihm in den Medien kursieren, bestätigen das Gerücht. Und auch im Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten hält er sich gerne zurück, ist höflich, aber reserviert und verrät über sich und seine Rollen nur das Nötigste. Driver, so viel steht fest, ist ein Privatmensch, der seine Kreativität und Wandlungsfähigkeit lieber auf der Leinwand auslebt, als damit in der Öffentlichkeit hausieren zu gehen. Und was für ein Talent da zum Vorschein kommt: einer, der einen poetischen Busfahrer (Paterson) mit der gleichen Empathie und Intensität verkörpert wie einen einarmigen, Cocktail mixenden Kriegsinvaliden (Logan Lucky), der Ehemännern in Krisen aller Art eine Statur verleiht, mal als Wissenschaftler im geheimdienstlichen Auftrag (Midnight Special) agiert, ein andermal als Hüter des Gesetzes investigiert, recherchiert und sich weder von Zombies noch vom Ku-Klux-Klan einschüchtern lässt. Lange fiel Driver angesichts seiner medialen Enthaltsamkeit lediglich in die Kategorie der gesichtsbekannten Schauspieler, die man zuzuordnen weiss, wenn man sie sieht, mit deren Namen man jedoch wenig anfangen kann. Aber auch das sollte sich ändern, als er 2015 erstmals als innerlich zerrissener Kylo Ren in der aktuellen Star Wars-Trilogie auftauchte. Danach gab es für Driver karrieretechnisch kein Halten mehr. Und derzeit ist er so ziemlich der spannendste Mittdreissiger, den man dabei erleben darf, wie er das Kino für sich erobert.
Gleich in drei Filmen war er allein im vergangenen Jahr zu sehen und in drei Rollen, die auf den ersten Blick unterschiedlicher kaum sein könnten. Rollen wie die des Senatsangestellten Daniel Jones, der in Scott Z. Burns’ The Report die Verhörmethoden der CIA nach 9/11 untersucht und dabei unschöne Wahrheiten ans Licht bringt. Oder die des Polizisten Ronald «Ronnie» Peterson, der in Jim Jarmuschs The Dead Don’t Die an der Seite von Bill Murray als Chef-Cop einer Horde Untoter Paroli bieten muss. Dagegen hat es der Theaterregisseur Charlie in Noah Baumbachs Marriage Story auf den ersten Blick geradezu leicht, immerhin geht es bei ihm lediglich um die Scheidung von seiner Ehefrau Nicole (Scarlett Johansson). Doch aus vernünftigen Gesprächen werden auch hier bald harsche Auseinandersetzungen, die zunehmend in einem schmutzigen Kampf der Geschlechter gipfeln.
Tatsächlich lassen sich an diesem Figurenensemble bereits die drei Pfeiler von Drivers schauspielerischer Grösse ablesen: ein engagiertes politisches Bewusstsein, sein trockener Humor sowie eine ausgesprochene Sensibilität für die allgemeinen und besonderen Lebens- und Beziehungsfragen der männlichen Natur. Vor allem Letzteres hat er in Marriage Story unlängst derart perfektioniert, dass ihm die Rolle schliesslich sogar seine erste Oscar-Nominierung als bester Schauspieler einbrachte. Zu Recht. Denn Driver, immerhin ein eins neunzig grosser Hüne mit weichen Augen und majestätischer Nase, sieht auf seine verquere Weise nicht nur gut aus, ohne schön zu sein, sondern er redet sich um Kopf und Kragen, weint und – in einer der schönsten und rührendsten Szenen – singt, wirkt verloren und überfordert, dann wieder verantwortungsbewusst und stets so sympathisch, dass man ihm am liebsten sowieso alles sofort verzeihen würde, hier, jetzt und auf der Stelle.
Vielleicht war es Drivers Glück, dass Noah Baumbach, der grosse New Yorker Beziehungskomödienspezialist, ihn bereits sehr früh für seine Projekte entdeckte. Denn was den Darsteller aufs Innigste mit dem Regisseur verbindet, ist ihre gemeinsame Leidenschaft für ein ironisches, empfindsames und intelligentes Independent-Kino, das Baumbach seit Jahren hartnäckig produziert, wahrscheinlich, um nicht irgendwann selbst in den dekadenten Weltschmerz seiner Figuren zu verfallen. In Frances Ha (2012), ihrer ersten Zusammenarbeit, spielt Driver zunächst noch einen relativ kleinen, aber herrlich verinnerlichten Slacker-Part, angelehnt an seine famose Rolle als schlaksig-schrulliger Teilzeittischler und Boyfriend von Lena Dunham in deren HBO-Serie Girls, mit der er sich kurz zuvor als «der» Mädchenschwarm der Zehner Jahre hervorgetan hatte. Doch bereits in While We’re Young (2014) nahm sein Profil auch auf der Kinoleinwand klarere Formen an. Erneut gibt er für Baumbach einen Mittzwanziger-Typus, der diesmal mit seiner Filmfreundin Amanda Seyfried zwischen Hipster-Café und Flohmarkt pendelt und dabei so lächerlich wie schmerzlich glaubhaft wirkt.
Beide Filme werden eigentlich von den Hauptrollen getragen – Frances Ha ist Greta Gerwigs Film, Ben Stiller dominiert als idealistischer Dokumentarfilmer in der Krise –, und doch liefert Driver jeweils auf seine ganze eigene, anspruchslose Art das Salz in der Suppe – stets auf den Punkt, immer professionell, unaufgesetzt und mit sichtlichem Spass an der Sache, ohne sich jemals unangenehm in die erste Reihe zu spielen.
Das Sich-eingliedern-Können in ein Ensemble, der Respekt vor anderen sowie eine gewisse Robustheit für den Beruf, all das hat der 1983 in Kalifornien geborene Querdenker nicht erst auf der Schauspielschule gelernt. Überhaupt wurde er dort wie so viele Ausnahmedarsteller:innen zunächst einmal abgelehnt, verkaufte erst Staubsauger und ging schliesslich einerseits aus Perspektivlosigkeit, andererseits aus Pflichtbewusstsein im Zuge von 9/11 zur Marine, bis er nach zwei Jahren und acht Monaten aufgrund einer Verletzung entlassen wurde. Es war ein schwerer Schlag für den jungen Mann, der endlich einmal etwas zu Ende bringen wollte. Anschliessend studierte Driver für ein Jahr in New York, bis er es schliesslich nochmals an der berühmten Juilliard School versuchte, diesmal mit Erfolg. In der Ausbildung traf er dann nicht nur seine spätere Ehefrau Joanne Tucker, sondern stürzte sich regelrecht in die Arbeit. Das Ergebnis bislang ist eine insgesamt bereits mehr als beachtliche Filmografie mit frühen kleineren und grösseren Nebenrollen in Filmen von Topregisseuren wie Steven Spielberg, Clint Eastwood und den Coen-Brüdern, die sich im Rückblick so beiläufig in die Liste einfügen, als seien sie geradezu eine Selbstverständlichkeit.
Es gehört allerdings zum Phänomen Adam Driver, dass er sich sogar nach dem breiten Durchbruch, den ihm seine erfolgreiche Einführung in George Lucas’ Sci-Fi-Saga bescherte, nicht gänzlich dem Mainstream verschrieb. Bis heute dreht er am liebsten mit Arthouse-Regisseuren wie Baumbach, Nichols, Jarmusch und Soderbergh und legt dabei stets dasselbe intensive Engagement an den Tag wie zu Beginn seiner Karriere, als er die Rumhänger-Mentalität aus Frances Ha und Girls ablegte, um sich neuen dramatischen Herausforderungen zu stellen. Für seine eindringliche Darstellung als aufopfernder Ehemann in Saverio Costanzos Beziehungsdrama Hungry Hearts durfte er dafür 2014 zusammen mit Alba Rohrwacher, die als psychotische junge Mutter brilliert, den wohlverdienten Darstellerpreis auf dem Filmfestival in Venedig entgegennehmen. Und von diesem Punkt an spielte er sich immer weiter nach vorn, bis 2016 schliesslich der Anruf von Martin Scorsese kam, der ihn an der Seite von Andrew Garfield als portugiesischen Jesuiten ins Japan des 17. Jahrhunderts schicken wollte, um dort einen Missionar zu suchen, der dem christlichen Glauben abgeschworen haben soll. Seine Leistung in Silence gehört gewiss zu den ungewöhnlichsten und kühnsten in seinem Repertoire – und sie ist einmal mehr Beweis dafür, dass dieser Mann fast alles kann.
Auszeichnungen verdient hätte Driver ebenso für andere Rollen, etwa für die als unscheinbarer Weltverweigerer Paterson in Jarmuschs gleichnamiger Tragikomödie, in der er Gedichte schreibt und lieber versunken dreinschaut, denkt oder zuhört, als selber etwas zu sagen. Und auch als Sancho Panza in Terry Gilliams legendärem Lebens- und Wunschprojekt The Man Who Killed Don Quixote (2018) oder als jüdischer Undercover-Cop unter Rassisten in Spike Lees BlacKkKlansman (2018) gibt er immer alles, um seine speziellen, zumeist leicht bis extrem verschrobenen Charaktere interessant und sehenswert zu machen, und läuft dabei stets zu Höchstform auf. Driver spielt, gestikuliert, spricht, schweigt, kämpft sich nach vorn und ist dabei so konsequent hervorragend wie sonst kaum ein Schauspieler seiner Generation. Für einen wie ihn, dessen Wucht in der Defensive liegt, geht es nicht darum, den grossen Filmstar zu markieren. Ein grosser Schauspieler, den man in jedem Fall ernst nehmen sollte, ist er allemal.
Pamela Jahn
Die Reihe wurde von Jenny Biletter für das Xenix Zürich kuratiert und vom Stadtkino Basel leicht modifiziert. Wir danken dem Xenix die die grosszügige Zuverfügungstellung von Recherchearbeit und Texten.
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