schliessen

zurück

Filmreihe

 
Reihenbild

Audrey Hepburn

Frischer Wind in Hollywood


Sie war Prinzessin Ann auf Roman Holiday, die unglücklich verliebte Chaffeurstochter Sabrina, eroberte als «emphaticalistisches» Funny Face die Modestadt Paris, frühstückte als einzigartige Holly Golightly bei Tiffany’s und verwandelte sich von der widerborstigen Eliza Doolittle in My Fair Lady. Mit ihrer elfenhaften Eleganz, natürlichen Anmut und einer gehörigen Portion Wildfangcharme hat sie das Frauenbild Hollywoods in den 50er-Jahren revolutioniert – und für einige der bezauberndsten Momente der Filmgeschichte gesorgt. Am 4. Mai wäre Audrey Hepburn 90 Jahre alt geworden. Das Stadtkino Basel feiert die Stilikone und Hollywoodlegende mit einer Schau ihrer schönsten Filme.

mehr

 

Bevor Audrey Hepburn zum Filmstar wurde, hatte sie «Gigi» am Broadway gespielt, eine junge Frau, die in einem historischen Frankreich zur Kurtisane erzogen wird. Als Kind einer Holländerin und eines Briten brachte sie das für die Rolle notwendige europäische Flair mit, ihre elfenhafte Erscheinung und ihr für die frühen 1950er-Jahre ungewöhnliches Äusseres konnte Hollywood, das in Behäbigkeit und Selbstgefälligkeit zu erstarren drohte, sich nicht entgehen lassen: Das alte Studiosystem mit seinen durch Genreformeln quasi garantierten Profiten wurde plötzlich von der raschen Verbreitung des Fernsehens bedroht, und man suchte permanent nach Möglichkeiten, sich gegen das neue Medium abzusetzen: Farborgien in Technicolor, spektakuläre Schauwerte wie Statistenheere und historische Kostüme im Breitwandformat und schliesslich auch die Entdeckung neuer Gesichter sollten das Kino retten.

 

Audrey Hepburn ist eine Repräsentantin dieser Strategien: Sie brachte, ohne dass man irgendetwas mit ihr anstellen musste, Anmut und Haltung mit. Sie konnte jedes Kostüm tragen. Sie stellte keine Ansprüche wie die grossen Diven Hollywoods, sie war fleissig, zuverlässig und freundlich. Und man dachte, wenn man sie wie in War and Peace oder My Fair Lady mit überbordenden Interieurs und historisierendem Chichi umgäbe, würden die Filme womöglich noch mehr Publikum anziehen. Aber Audrey Hepburn war dann am besten, wenn sie zeitgenössischen Frauenfiguren zum Leben verhalf; dann wirkte sie, wie kaum eine andere Schauspielerin der Zeit, authentisch, empathisch und warmherzig. So sehr, dass sich die Zuschauerinnen bis heute mit ihr identifzieren können, obwohl ihre Filme, trotz aller behaupteten Aktualität, immer märchenhaft sind.

 

Die tänzerische Leichtigkeit, mit der Audrey, etwa in Roman Holiday und Sabrina oder War and Peace, durch Herrenhäuser und Schlösser wirbelte, stand im starken Kontrast zu den behäbigen Studio-Inszenierungen, zu den gemessenen Bewegungen ihrer Filmpartner, die zwar geschliffene Dialogzeilen überzeugend von sich gaben, aber keine Sekunde vergessen liessen, dass sie spielten. Selbst Darsteller wie Humphrey Bogart, Gary Cooper oder Cary Grant, die zu den Grössten ihrer Zeit zählten, wirkten im Vergleich mit ihr statisch und sehr altmodisch. Und Fred Astaire, neben dem sie durch das grossartige Paris- und Fashion-Musical Funny Face tanzte, war zwar als ihr Fotograf, nicht aber als Objekt ihres Begehrens glaubwürdig. Das machte jedoch nichts, denn Audrey Hepburns eigenartig kindhafte, geschlechtslose Figuren begehrten nicht wirklich. Die traditionellen Happy Ends ihrer Filme wirken immer ein wenig aufgesetzt, gerade weil Hepburn das Gegenteil signalisierte: Ihre Attraktivität lag in ihrer flirrenden Flüchtigkeit, die für alles andere als Beziehungsleben geeignet schien.

 

So auch in Breakfast at Tiffany’s, der die Essenz von Hepburns Modernität enthält: Die damals 31-jährige Darstellerin spielte mühelos das 19-jährige Partygirl Holly Golightly – eine selbstständige Frau, die weiss, was sie tut, und über jede Menge Strategien fürs Überleben in der Grossstadt New York verfügt. Sie findet sich besser zurecht als ihr Schriftsteller-Nachbar Paul, der sich interessanterweise ebenso prostituiert wie sie – beide verkaufen ihre jugendlichen Reize an zahlungskräftige ältere Personen des jeweils anderen Geschlechts, bis sie sich schliesslich ineinander verlieben.

 

Der Film etablierte nicht nur Audrey bis heute als Stilikone, sondern im Grunde als Avantgardistin einer Jugendkultur, die sich am Ende der Dekade vehement durchsetzen sollte. Sie hat den Boden für die superdünnen Models der 1960er mit ihren androgynen Figuren bereitet; sie brachte die Hilflosigkeit als Attraktivitätsmerkmal auf und das damit verbundene Kindfrau-Schema in Mode. Hellsichtig nimmt der Film einige gesellschaftliche Themen der kommenden Dekade vorweg, auch indem er das traditionelle Geschlechterverhältnis und mit der Behauptung «Menschen können nicht anderen Menschen gehören» die Institution Ehe im traditionellen Sinn infrage stellt. Holly Golightly ist auf ihre Weise eine höchst emanzipierte Figur und Breakfast at Tiffany’s vielleicht der modernste Film, den das alte Hollywood je produziert hat –  eine beglückende Symbiose von Kunst, Handwerk und Technik auf allerhöchstem Stand.

 

Mitte der 1960er-Jahre war Audrey plötzlich nicht mehr en vogue, jedenfalls im Film. Die Versuche der Studios, sie einem jungen Publikum nahezubringen, wirken ein wenig hilflos. Ein Beispiel dafür ist Two for the Road, den der im Februar verstorbene Grossmeister Stanley Donen mit ihr und Albert Finney in Südfrankreich inszeniert hat. Nach Funny Face und dem als Hitchcock-Hommage geltenden Spionagefilm Charade war Two for the Road die dritte Zusammenarbeit von Donen und Hepburn. Es ist die Geschichte eines seit zehn Jahren verheirateten Paars Ende dreissig, das kurz vor der Trennung zu stehen scheint.

 

In Rückblenden erzählt der Film von den Hoffnungen und Enttäuschungen der beiden, von imaginierten oder tatsächlichen Seitensprüngen, von Krächen und Krisen. Audreys Partner Albert Finney war ein Star des britischen Free Cinema, das seine Erfolge allerdings fünf Jahre früher gefeiert hatte. Der derbe, polterige Brite und die feinsinnige Audrey sind kein plausibles Paar, und die im Film behauptete animalische Anziehung zwischen den beiden vermittelt ihr Spiel nicht. Die Dialoge sind sexlastig und bemüht frivol, was zu Audreys Stilsicherheit und Eleganz nicht passt.

 

Wunderbar dagegen passten ihr immer noch selbst die exzentrischsten Sixties-Kostüme, die gleich eine ganze Handvoll der angesagtesten Designer der Dekade für diesen Film entworfen hatten: ein schwingendes Minikleid aus Silbertalern von Paco Rabanne, ein Vinylanzug von Michèle Rosier, Jerseyhänger mit grafischen Mustern von Mary Quant, geblümte Flattergewänder von Ken Scott und die archetypischen Swinging-London-Modelle von Foale and Tuffin. War Funny Face eine Leistungsschau des französischen Couturiers und lebenslangen Hepburn-Vertrauten Hubert de Givenchy gewesen, so stellte sich in Two for the Road eine Generation junger Modedesigner vor, die offenbar keinerlei Probleme damit hatte, die mittlerweile 37-jährige Audrey für sie modeln zu lassen.

 

In Hollywood fand Ende der 1960er-Jahre eine Umstrukturierung statt: Unabhängige Produzenten und eine neue Generation von RegisseurInnen verfilmten mit kleinen Budgets Alltagsgeschichten an Originalschauplätzen. Die Stars dieses «New Hollywood» hiessen Mia Farrow und Faye Dunaway, Meryl Streep und Diane Keaton und waren zehn bis zwanzig Jahre jünger als Audrey Hepburn. Die gehörte nun zur Generation der Eltern jenes Kinopublikums, das seinesgleichen auf der Leinwand sehen wollte. Für Audrey gab es nur noch selten Rollen, etwa bei Peter Bogdanovich, einem Protagonisten New Hollywoods, der mit They All Laughed das klassische «Reigen»-Thema variierte. On location in New York führten Audrey Hepburn und Ben Gazzara eine Affäre wieder auf, die sie im wirklichen Leben gehabt hatten. Der Film, der beim zeitgenössischen Publikum durchfiel, hat inzwischen prominente Fans wie Wes Anderson und Quentin Tarantino gefunden und es damit zu Kultstatus gebracht.

 

Mit einem ganz anderen, herzerfrischenden Ansatz ging der Brite Richard Lester mit den beiden alternden Stars Hepburn und Sean Connery um: Robin and Marian ist eine Fortschreibung des Robin-Hood-Mythos, der einen freundlichen Blick auf seine durchs Leben ermüdeten Titelhelden wirft. Zwanzig Jahre später erklärte Audrey Hepburn in einem Interview, dass sie diese Rolle sehr gemocht habe.

 

Audrey Hepburn starb mit nur 63 Jahren in Tolochenaz (VD), wo sie ihr Privatleben unbehelligt von Paparazzi führen konnte. Am 4. Mai 2019 wäre sie 90 Jahre alt geworden.

 

Daniela Sannwald

weniger