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ARCHIV | Filmreihe

 
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Kate the Great!

Die unvergleichliche Katharine Hepburn


Schon früh war klar, dass sich Katharine Hepburn nicht um gesellschaftliche Konventionen schert: In ihrer Jugend gab sie sich den Namen Jimmy, und zeit ihres Lebens trug sie lieber Jeans als Abendkleider. Als eigenwillig-schillernde Pilotin in Christopher Strong, als Junge verkleidet in Sylvia Scarlett oder als renitente Nonkonformistin in Holiday – auch wenn die Leinwandikone nicht an allen Geschlechterkonventionen kratzen konnte, so verkörpert sie in ihren bezaubernd-souveränen Leinwandfiguren doch stets etwas Androgynes, Selbstbestimmtes und Selbstständiges. In den wunderbar temporeichen Screwball-Komödien eines George Cukor oder Howard Hawks liefert sie sich die kühnsten Wettstreite mit dem einstigen Vaudeville-Akrobaten Cary Grant, und gemeinsam mit ihrem langjährigen Verbündeten Spencer Tracy lehrt sie uns in Filmen wie Guess Who’s Coming to Dinner an die Macht der Liebe jenseits gesellschaftlicher Normen zu glauben. Eine resolute Anführerin bis zum Schluss, mutig, unabhängig, liberal, smart, ein bisschen einzelgängerisch, das war einst das Neue an Katharine Hepburn und lässt sie heute noch unglaublich zeitgenössisch erscheinen. Auf vielfachen Wunsch nimmt das Stadtkino Basel die im letzten Jahr aufgrund der Pandemie abgebrochene Hommage an «Kate the Great» nochmals auf und präsentiert sie – von den wunderbar turbulenten Anfängen bis hin zum scharfsinnigen Humor, mit dem sie sich in On Golden Pond gemeinsam mit Henry Fonda den Fragen des Alterns stellt.  

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Eigensinnig und schlagfertig, das sind die Attribute, die die Hollywood-Legende vor und hinter der Kamera beschreiben. Und in der Tat: Katharine Hepburn und ihre Figuren sind nicht auf den Mund gefallen. Dies bekommt etwa David Huxley, gespielt von Cary Grant, in Bringing Up Baby (1938) zu spüren. «You tell anybody anything that comes into your head», stellt der völlig aus der Fassung gebrachte Paläontologe fest und ergibt sich sogleich der bezaubernd-anarchischen Susan Vance, einer jungen Millionenerbin, die wie ein weiblicher Amor hinter ihrem Liebesziel her ist. Für den heute wohl berühmtesten aller Screwball-Klassiker wählte Howard Hawks mit Hepburn und Grant ein fulminantes Duo, das fast schon mit Übereifer die Charakteristika des Komödiengenres vorführt: Sprachlich und körperlich in Höchstform beherrschen sie die gepfefferten Dialoge, treiben im halsbrecherischen Rhythmus die Story voran, duellieren sich im Geschlechterkampf mit viel Witz und Elan, um sich am Ende trotz aller Hindernisse in die Arme zu fallen. Doch der eigentliche Wahnsinn der Geschichte ist der Leopard, ein Geschenk von Susans Bruder. Auf Davids nervöse Bitte, das Raubtier möge doch stehen bleiben, kann die Tierhalterin nur lachen. Eine wunderbare filmische Metapher, ist doch der junge Wildfang Susan genauso wenig zähmbar. Dieser unbändige Freiheitsdrang vereint die unkonventionellen und emanzipierten Frauen, die Hepburn in der ersten Dekade ihrer Karriere darstellte, wobei das Publikum und die Presse bald nicht mehr zwischen Filmfigur und realer Person zu unterscheiden wussten.

 

Ihre Meinung durchzusetzen und für ihre Rechte einzustehen, das hat Katharine Hepburn schon früh gelernt. 1907 geboren, wuchs sie in einem intellektuellen Elternhaus an der Ostküste auf. Ihr Vater war Arzt, und ihre Mutter, Juristin und Suffragette, nahm die kleine Katharine, die mit Kurzhaarfrisur lieber Jimmy genannt werden wollte, regelmässig an feministische Kundgebungen mit. Mit dem Abschluss einer Elite-High-School setzte sich der Jungspund in den Kopf, Schauspielerin zu werden. Nach vier mehr oder wenig erfolglosen Jahren am Theater verbuchte sie ihren ersten Bühnenerfolg als Amazonenkönigin. Prompt entdeckte sie ein Talentscout von RKO, einem der fünf Major-Studios, und holte sie 1932 nach Hollywood. Die 25-Jährige debütierte im Melodrama A Bill of Divorcement und traf damit auf George Cukor, den Regisseur, der ihr Talent sofort erkannt hatte und mit dem sie noch neun weitere Filme drehen wird. 1933, nach gut einem Jahr Set-Erfahrung, wird sie für ihre Hauptrolle in Morning Glory (Lowell Sherman) mit ihrem ersten Oscar ausgezeichnet. Die gewichtige Statue nahm sie aber nicht persönlich entgegen, auch nicht die drei folgenden Academy Awards. Bereits als Jung-Star verschaffte sie sich das Image einer souveränen, aber auch kratzbürstigen Schauspielerin. ReporterInnen begegnete sie stets mit Nonchalance, Autogramme und Interviews gab sie nur mit grossem Widerwillen. Die Traumfabrik und das ganze Drumherum versuchte sie wenn möglich auf Abstand zu halten. New York und ihre Heimat Connecticut blieben ihr geistiges Refugium, wo sie schliesslich ihre letzten Lebensjahre verbrachte. Nach über sechs Dekaden Tätigkeit im Kino, Fernsehen und Theater, mehreren Dutzend Filmen, zwölf Nominierungen für den Oscar, wovon sie vier gewann, starb Katharine Hepburn im Alter von 96 Jahren. 

 

Die exzentrische Schauspielerin nahm schon früh ihre Karriere selbst in die Hand. Selbstständig verhandelte sie Gagen, kaufte sich aus Verträgen raus (ein Privileg, das nicht allen KollegInnen gegönnt war) und verschaffte sich somit einen Platz auf Augenhöhe mit den Studiomagnaten. Nach einigen Kassenflops, wie dem Historienfilm Mary of Scotland (1937) von John Ford und auch dem vielleicht damals zu progressiven Bringing Up Baby, wurde Hepburn 1938 gemeinsam mit Grössen wie Greta Garbo und Marlene Dietrich auf die schwarze Liste der KinobesitzerInnen gesetzt: Sie alle seien Kassengift. Hepburn wandte Hollywood kurzerhand den Rücken, um in New York das Stück «The Philadelphia Story» aufzuführen. Ein Erfolg! Die Filmrechte, die sie sich klugerweise zuvor gesichert hatte, trat sie den MGM Studios ab und handelte dabei ein künstlerisches Mitspracherecht aus. In der Rolle der schönen, doch unnahbaren Tracy Lord feierte sie mit der Verfilmung von The Philadelphia Story ihr Hollywood-Comeback. Wieder unter der Regie von Cukor und an der Seite von Grant und John Stewart verfeinerte sie ihren unverkennbaren Schauspielstil: Die Dialoge sind gestochen scharf, jede Geste ist definiert, und die Bewegungen wirken selbst in Slapstick-Szenen geschmeidig. Obwohl die Geschichte einem wahnwitzigen Liebeschaos à la Shakespeares «Sommernachtstraum» ähnelt, besticht der Film durch die ruhigen reflexiven Momente, in denen der Konflikt zwischen konstruiertem (weiblichem) Starimage und dem Menschen dahinter aufflackert.  

 

Die Frage nach dem Rollenbild der Frau ist zentrales Thema in fast allen Filmen. Ein bezeichnendes Beispiel ist der leider viel zu wenig bekannte Christopher Strong (1933). Dorothy Arzner, Wegbereiterin für viele Regisseurinnen, kreierte für Hepburn eine ambivalente Frauenfigur: die furchtlose Pilotin und freidenkende Liebhaberin Cynthia, die, im moralischen Dilemma gefangen, ein tragisches Ende erfährt. Auch im echten Leben besteht Hepburn immer wieder auf ihr Recht auf Gleichstellung und politische Meinung. So auch 1947, zu Beginn der sogenannten McCarthy-Ära, die einer antikommunistischen Hexenjagd glich, widersetzte sich Hepburn ihren Chefs und stand für Redefreiheit ein. «Silence the artist and you silence the most articulate voice you have», kommentierte Hepburn gewohnt eloquent die Angriffe der HUAC (House of Un-American Activities Committee) auf Hollywood.   

 

Die Vereinbarkeit von Beruf und Liebe wird zum Prüfstein einer ganzen Reihe von Filmen, die 1942 mit dem auch ironisch zu deutenden Titel Woman of the Year beginnt und die sie mit ihrem langjährigen Schauspiel- und Lebenspartner Tracy Spencer realisierte. Tess Harding, eine hochgebildete politische Kolumnistin, die für ihren Beruf lebt, verliebt sich in den bodenständigen Sportjournalisten Sam Craig. So progressiv der Film beginnt, so konservativ endet er. Die einzige Lösung für das gemeinsame Glück ist die Domestizierung der Frau von Welt, und so zeigt die Schlusssequenz, wie Tess heillos ungelenk versucht, ein Frühstück für ihren Liebsten zu zaubern. Der Freigeist der Pre-Code-Ära (der 1934 eingeführte Hays Code verbot Darstellungen von Sexualität und Kriminalität) ist definitiv verschwunden, und an den patriarchalen Idealen wird nur noch schwach gerüttelt. Bemerkenswerterweise heben sich die zahlreichen Ehekomödien vom Duo Hepburn/Spencer, wie Adam’s Rib (1949) oder Pat and Mike (1952), durch ihre explizite Auseinandersetzung mit sozialer Gleichberechtigung dennoch von vielen Filmen der Zeit ab. In Guess Who’s Coming to Dinner (1967), ihrem letzten gemeinsamen Film, verschiebt sich schliesslich der Konflikt: Die Vorurteile der «White Supremacy» werden offengelegt, als die Tochter ihren Verlobten, einen Afroamerikaner, zum Dinner bringt – natürlich zum Missfallen der Eltern.   

 

Auch im fortgeschrittenen Alter begeisterte Hepburn mit ihrem Tatendrang. Obwohl man sie mittlerweile «the good old Kate» nannte, bewies sie immer noch athletische Eleganz, Unabhängigkeit und Sinn für erotische Liebe. So auch in The African Queen (1951), in dem sie sich vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs von der Missionarin zur Partisanin verwandelt. Wahrlich entzückt von ihrer Performance zeigt sich Filmkritiker André Bazin: Von einer unglaublichen Jugendlichkeit sei sie erleuchtet, von einem inneren Licht. Tatsächlich blüht sie auf, als sie gemeinsam mit einem versoffenen Abenteurer (Humphrey Bogart) beschliesst, eine gewagte Bootsfahrt durch die feindlichen Linien zu unternehmen. Es ist die gleiche, fast schon kindliche Leidenschaft, mit der sie in der Rolle von Susan auf Leopardenjagd ging. Eine fesselnd attraktive Hingabe für Präzision und Zielstrebigkeit, die unnahbar und intim zugleich wirkt.   

 

Clea Wanner, Slawistin und Filmhistorikerin, lehrt und forscht an der Universität Basel. Als Filmkritikerin schreibt sie für die «ProgrammZeitung» und ist als Moderatorin und Kuratorin tätig.  

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