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ARCHIV | Neuer Deutscher Film

 
Filmbild
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Bildnis einer Trinkerin


Deutschland 1979

109 Min. Farbe. DCP. D

 

Regie: Ulrike Ottinger

Buch: Ulrike Ottinger

Kamera: Ulrike Ottinger

Schnitt: Ila von Hasperg

Musik: Peer Raben

Mit: Tabea Blumenschein, Christine Lutze, Magdalena Montezuma, Orpha Termin, Nina Hagen

«Sie (Tabea Blumenschein), elegant und reich, beschließt, nach Berlin zu reisen – aller, jamais retour –, um dort ihrer selbstzerstörerischen Leidenschaft zu frönen: Sie will trinken, durchtrinken, für immer trinken. Gemeinsam mit einer Obdachlosen säuft und randaliert sich die namenlose Heroine des Exzesses auf ihrer Schnaps-Odyssee durch die fremde Metropole, während die drei hochnäsigen Kongressteilnehmerinnen ‹Exakte Statistik›, ‹Soziale Frage› und ‹Gesunder Menschenverstand› die Ereignisse kommentieren. Begegnungen mit archetypischen Underground-Ikonen wie Magdalena Montezuma, Nina Hagen, Kurt Raab, Volker Spengler und Lutze, der Künstlermutter aus New York, runden die campige Sauftopographie ab.»   

Transit Filmfest

 

«Bildnis einer Trinkerin ist mit den gesellschaftlichen Realismen, den Vorurteilen und Stigmatisierungen seiner Zeit immer nur insofern befasst, als er sie bereits hinter sich liess. Das Verkrustete an der Gesellschaft, die die Trinkerinnen umgibt, ist nichts, was den wankenden Vorwärtstrieb der Schnapsnasen ausbremsen könnte, es ist lediglich das, was man kreuzt, wenn man reist, und woran man eben stösst, wenn man torkelt. Die drei Kongressdamen, ihr polizeiliches Auftreten, ihr statistisches Denken und ihr scheinbar faktischer Weltbezug sind immer schon eher Randerscheinung als Kontrastfolie. In Bildnis einer Trinkerin, darin liegt auch die Radikalität des Films, muss das Saufen nicht erst zu seinem Recht kommen; das Recht ist mit der Exposition des Films bereits in Kraft gesetzt. Und in dem Sinne, in dem es hier nicht um die Installierung eines Rechts auf Vollrausch inmitten einer steinernen Gesellschaft geht, in dem es nicht um ein reales Emanzipationsprogramm geht, geht es auch nicht um weibliches Opfertum. Das Saufen ist nicht unbedingt Resignation und Weltabgewandtheit, es ist, im Gegenteil, eine Weltzugewandtheit, ein Sightseeing.»     

Lukas Stern, filmexplorer.ch, 09.03.2017

 


 

Special Ulrike Ottinger: Herzgesteuerte Bewegung und steter Neuaufbruch

DO 04.11.21 18:15

Inklusive Filmvorfühung von Bildnis einer Trinkerin vor dem Gespräch

 

Der permanente Aufbruch bestimmt die Kunst dieser Frau. Von der Banklehre über das Kunststudium in München, die Lehrjahre in Paris bei Johnny Friedlaender bis zur Rückkehr nach Deutschland, mit Berlin als Ausgangspunkt für eine unendliche Reise, wirkt ihr Leben von aussen betrachtet wie einer ihrer Filme: faszinierend, selbstbestimmt, eine souveräne konstante Metamorphose mit einem unbeirrbaren Herzen im Zentrum. Ulrike Ottinger ist eine ausgesprochen visuelle Künstlerin mit einem analytischen Blick für Zusammenhänge.
Als Fotografin demonstriert sie die Offenheit der ethnografischen Beobachtung und verknüpft sie bei der Montage ihrer Filme mit verspielter Erkenntnisfreude. Zu einer Zeit, als man vor allem ausserhalb von Deutschland verblüfft den sehr ernsthaften, oft von heiliger Humorlosigkeit durchdrungenen Aufbruch ihrer männlichen Kollegen des Neuen Deutschen Films wahrzunehmen begann, spielte Ottinger mit surrealen Kontrasten, Symbolismen und parodistischen Etiketten. Da heisst eine der Frauenfiguren in Bildnis einer Trinkerin von 1979 «Exakte Statistik». Im Gespräch mit der Filmemacherin, Malerin und Fotografin interessiert sich Michael Sennhauser für die Kontraste in ihren Harmonien: Wie nahm sich Ulrike Ottinger selber wahr in ihren frühen Jahren, wie stand sie zum männlich dominierten Neuen Deutschen Film und zum allgemeinen Um­ und Aufbruch im Erzählkino? Wie verbindet sie ihre Faszination für traditionsgeprägte asiatische Formensprachen mit ihrem eigenen, manchmal fast ikonoklastischen Hang zum Surrealen?